Gute Kunststoffe

Über Kunststoffe zu lästern ist ja keine Kunst. Symbol des fossilen Zeitalters und der Wegwerfgesellschaft, (Mikro)Plastik in den Meeren, achtlos weggeschmissene Becher und Verpackungen, geringe Recyclingraten, problematische Inhaltsstoffe wie die Weichmacher.

Trotzdem können Kunststoffe in bestimmten Einsatzbereichen sinnvolle Materialien sein. Gute Beispiele sind sortenreine Kunststoffe mit langen Nutzungszeiten und hohem Recyclinggrad – wie zum Beispiel Abwasserrohre aus Polyurethan, Stoßstangen von Autos (mit deutlich geringerem Gewicht als Stahl und damit treibstoffsparend) oder die vielfach wiederverwendbare Nylon-Tragetasche.

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich aber in den letzten Jahren ein Problem verschärft. Satellitenmessungen haben gezeigt, dass bei der Förderung der Vorprodukte aus Erdöl und Gas weitaus mehr klimaschädliche Gase (wie etwa Methan) freigesetzt werden als zuvor angenommen. Das betrifft natürlich nicht nur Kunststoffe, sondern alle auf diesen Vorprodukten basierenden Güter.

Die Änderung kann erheblich sein. Die CO2-Emissionen des Standardkunststoffs Polypropylen sind dadurch um rund 25% gestiegen (von 1,9 Kilo auf 2,4 Kilo CO2 pro Kilo Polypropylen) verbunden. Der Anstieg ist aber nur rechnerisch bzw. ökobilanziell – in den vergangenen Jahren waren die Emissionen gleich hoch, aber wurden unterschätzt.

Für die Reduktion der hohen CO2-Emissionen gibt es beim Materialeinsatz drei Möglichkeiten: Biokunststoffe haben in der Regel kleinere CO2-Werte, die Gewinnung der Vorprodukte konkurriert aber genauso wie bei Biodiesel mit der Erzeugung von Lebensmitteln und ist von daher auf Spezialanwendungen beschränkt. Recyclingkunststoffe haben ein großes Minderungspotential, das bislang aber sträflich vernachlässigt wird. Drittens müssen perspektivisch auch „grüne“ Kunststoffe mit erneuerbar erzeugtem Wasserstoff produziert werden, vergleichbar zu grünem Stahl. Aber damit die Kunststoffe richtig grün werden, dürfen sie keine problematischen Zusatzstoffe enthalten, sollten möglichst lange genutzt und nach der Nutzung möglichst vollständig gesammelt und recycelt werden. Und der Abrieb oder gar das achtlose Wegschmeißen in die Umwelt (Littering) sollte gegen Null gehen. Das muss die hohe Kunst der geplanten Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sein.

Erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 21.06.2024

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