Suffizienz im Alltagsleben

Konzept, Bedarf, Potenziale und politische Steuerungsmöglichkeiten

Klimawandel, rapider Ressourcenabbau, Verlust an Biodiversität: unser raumgreifender, energie- und materialintensiver Lebensstil nutzt die Ressourcen und setzt Emissionen und Stoffe frei weit über ein verträgliches, nachhaltiges Maß hinaus. Umsteuern ist dringend nötig. Um beispielsweise das 2°-Klimaziel zu erreichen, sind Industrieländer aufgerufen, ihren CO2-Ausstoß bis 2050 um bis zu 95% zu reduzieren. Auf individueller Ebene würde Klimaverträglichkeit und internationale Gleichverteilung bedeuten, dass der CO2-Ausstoß eines Deutschen von 10 auf etwa 0,5 Tonnen pro Jahr sinken müsste.

Der Schwerpunkt in (umwelt-)politischen Programmen – und den meisten wissenschaftlichen Studien und Szenarien – liegt auf Effizienzeinsparung und Technologien (z.B. erneuerbaren Energien). Technikoptimismus führt dazu, sich auf Produktion und Produkte zu beschränken. Doch es ist zweifelhaft, ob dies ausreicht: unter anderem werden Einsparungen, die mittels effizienterer Technologien erreicht werden, oft durch verstärkte Nutzung, den Kauf größerer oder schwererer Geräte, durch Konsum an anderer Stelle oder gesamtgesellschaftliches Wachstum (über-)kompensiert. Was die Erreichung umweltpolitischer Ziele und letztlich die Einhaltung ökologischer Grenzen verlässlicher macht, ist ein „Dreigestirn der Nachhaltigkeitsstrategien“, das neben Effizienz und Konsistenz auch Suffizienz beinhaltet.

Unter „Suffizienz“ werden im Projekt Änderungen in Konsummustern verstanden, die mit anderen (umwelt-freundlicheren) Nutzenbündeln einhergehen und die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit unserer Ökosysteme zu bleiben Beispiele wären eine fleischärmere Ernährung (Änderungen im Geschmack und in der ernährungsphysiologischen Zusammensetzung) oder der Umstieg vom Privatauto auf Car Sharing (Änderungen in der Verfügbarkeit des Fahrzeugs und der Art der nutzbaren Fahrzeuge). Wie die Beispiele zeigen, muss Suffizienz nicht unbedingt mit einer Verringerung des Nutzens einhergehen, kann aber von vielen so erlebt werden.

Suffizienzstrategien umfassen sowohl Verhaltensänderungen als auch Änderungen in der Geräteausstattung. Bei Suffizienz handelt es sich um ein anspruchsvolles Themenfeld, in dem noch wichtige Fragen zu klären sind, u.a.: Wo liegen die größten Reduktionspotenziale? Welche Rolle spielen technische Entwicklungen und neue Produkte als Treiber? Wie können Rebound-Effekte vermieden werden? Wie kommt man von der Lebensstiländerung Einzelner zu Änderungen kollektiver Konsummuster? Spätestens hier stellt sich auch die Frage nach den Möglichkeiten suffizienzfördernder Politik.

Eine Steuerungsdebatte zu Suffizienz in privatem Konsum wird bisher nur rudimentär geführt und beschränkt sich meistens auf Informationspolitik und Appelle – auch aufgrund der politisch heiklen Verzichtsdimension. Im Vergleich zu anderen Politikfeldern sind die Rolle des Staates und eine mögliche Instrumentierung kaum durchdekliniert. Doch „auch wenn politische Mehrheiten für eine Suffizienzstrategie noch nicht absehbar sind, müssen die Grundlagen dafür jetzt erarbeitet werden“ (Linz 2012).

Das Thema – so die These – wird zwangsläufig an Bedeutung gewinnen. Mit Unterstützung der Stiftung Zukunftserbe zielt das Projekt darauf ab, Wissen und vorhandene Ideen zu sammeln und das Thema weiterzuentwickeln. Es soll unter anderem dazu dienen, erste Konturen des Feldes „Suffizienzpolitik und Suffizienzrecht“ zu entwickeln.

Die Projektergebnisse stehen Ihnen nachfolgend zum Download zur Verfügung.

Workingpaper:

Mehr als nur weniger - Suffizienz: Notwendigkeit und  Optionen politischer Gestaltung

Mehr als nur weniger - Suffizienz: Begriff, Begründung und Potenziale