Der Stromhammer

Die deutschen Energieversorger beschworen 1993 in einer großen Anzeigenkampagne, dass der Anteil Erneuerbarer Energien bei der Stromproduktion auch langfristig nie mehr als vier Prozent erreichen könne. Kleiner Irrtum: 2023 lag der Anteil bereits bei 55 Prozent. Das neue Solarstrompaket wird einen weiteren Schub geben.

Bei der Verringerung des Stromverbrauchs hat die Energiewende dagegen eine gewaltige Schlagseite. Der Gesamtstromverbrauch war 2022 mit 551 TWh noch genauso hoch wie im Jahr 1990. Die Reduktion durch Effizienzmaßnahmen wird in allen Sektoren massiv vernachlässigt.

Auch die privaten Haushalte nutzen die hohen Einsparpotenziale nicht– trotz möglicher Kosteneinsparungen bei gleichbleibendem Komfort. Meistens kennen die Bürger:innen nicht einmal den eigenen Stromverbrauch. Stattdessen lästern sie über hohe Stromkosten und ließen sich gerne mit der Strompreisbremse des Jahres 2023 pampern. Da wurden Milliarden verbrannt, statt alle Haushalte durch gezielte Fördermaßnahmen beim Stromsparen zu unterstützen. Wie es richtig geht, zeigte die seit 2008 bestehende Förderinitiative des Wirtschaftsministeriums für Haushalte mit geringem Einkommen. Hier wurden über 400.000 Haushalte beraten und konnten jährlich durchschnittlich rund 400 kWh Strom und Geld sparen.

Auch für Haushalte mit mittlerem und hohem Einkommen lohnt sich Stromsparen, mehr denn je. Auf Drängen der Umwelt- und Verbraucherverbände und nachfolgend durch gesetzlich festgelegte Mindeststandards der Ökodesign-Richtlinie gibt es immer mehr hocheffiziente Elektrogeräte. Parallel haben sich die Haushaltsstrompreise in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt – auf heute rund 40 Cent pro Kilowattstunde.

In dem Modellprojekt „Dreifacher Klimaschutz“ des Ökostromanbieters EWS (an dem ich selbst beteiligt war) wurden Haushaltskunden mit einem hohen Stromverbrauch (Schnitt 5.340 kWh) intensiv beraten, wie sie Strom einsparen können. Mit 31 teilnehmenden Haushalten war das Projekt nicht repräsentativ, endete aber mit einer faustdicken Überraschung: statt der erwarteten Einsparung von etwa 570 kWh pro Jahr wurden im Durchschnitt 1.282 kWh und damit 513 Euro eingespart. Und da die Einsparungen mindestens sieben Jahre halten, liegt die Einsparung für jeden Haushalt bei rund 3.500 Euro. Ein echter Hammer.

Erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 29.04.2024

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