High Risk und High-Cost

Wenn es dunkel und unsicher wird im Wald, fängt man an zu pfeifen. Das dürfte der wesentliche Grund für den ersten internationalen Atomenergie-Gipfel gewesen sein, der letzte Woche in Brüssel stattfand. Denn die Aussichten für AKWs sind denkbar schlecht. Mehr Silllegungen als Neubau. Und bei allen der vier Entscheidungskriterien für nachhaltige Technologien schneidet die Atomenergie miserabel ab.

Die Kosten für neue AKWs und für Atomstrom steigen massiv an: Paradebeispiel ist das britische AKW Hinkley Point - mit voraussichtlichen Kosten von 40 – 50 Milliarden Euro. Laut manager magazin „das teuerste Kraftwerk, seit es Elektronen gibt.“ Die Kosten des Atomstroms werden bei über 15 Cent pro kWh liegen, weit über dem Marktpreis. Das amerikanische Leuchtturmprojekt für die als besonders kostengünstig angepriesenen Mini-AKW (SMR) wurde eingestellt, weil die Kosten des Atomstroms deutlich über denen der Erneuerbaren Energien liegen würden.

Die Abhängigkeit von ausländischen Importen ist sehr hoch. Deutschland hat keine Uranreserven. Hauptlieferant für Europa ist ausgerechnet Russland!

Es gibt wohl keine andere Technologie, die so große Risikopotentiale hat wie die Atomenergie. Das gilt nicht nur für Super-GAUs wie in Tschernobyl und Fukushima, sondern auch für militärische Angriffe (siehe Ukraine), für potentielle Terrorangriffe auf AKWs und Zwischenlager sowie für die Proliferation von Plutonium für Atomwaffen.

Für den Klimaschutz müssen die CO2-Emissionen niedrig sein, und die Technologie schnell und weltweit breit einsetzbar sein. Die CO2-Emissionen sind bei AKW niedrig, aber höher als bei den Erneuerbaren Energien (wegen des aufwendigen Baus der AKW und der Uranaufbereitung). Weltweit wurden 2022 aber nur noch neun Prozent des Stroms durch AKW erzeugt. Wenn man nur die Hälfte des globalen Stromverbrauchs mit AKW produzieren wollte, bräuchte man statt bisher 450 dann 2.500 große AKW oder 250.000 Mini-AKWs á 10 MW. Aber die dürften natürlich jeweils nicht Krisenregionen stehen – also zum Beispiel nicht in Afghanistan, Pakistan, Naher Osten, Ukraine usw. Unabhängig davon würde ein Ausbau vieler AKW mindestens 20 – 30 Jahre dauern und käme für den Klimaschutz viel zu spät.

Fazit: Ab ins Endlager mit allen Ausbau- und Neubauphantasien für AKW.

Erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 29.03.2024

zurück

 

Ergänzende Antwort von Prof. Grießhammer auf die Kommentare auf der Seite der FR.....

Die ersten fünf Kommentare gehen nach dem einfachen Modus: Nein - es ist ganz anders. Keine Gegenargumente, außer einem - und das ist auch noch falsch (s.u.).
Keiner der fünf Leserbriefschreiber geht auf die einzelnen Argumente und Zahlen in meinem Artikel ein:
Stimmt es etwa nicht, dass es in den letzten Jahren weltweit mehr Stilllegungen von AKW gegeben hat als Zubau? Stimmt es etwa nicht, dass sich die drei neuen bzw. im Bau befindlichen europäischen AKW enorm verteuert haben? Zweifeln Sie die zitierten Zahlen des Manager-Magazins zu Hinkley Point an? Stimmt es etwa nicht, dass der Anteil von AKW an der weltweiten Stromproduktion nur 9% beträgt? Stimmt es etwa nicht, dass ein massiver Ausbau von mehreren Hundert oder gar Tausenden großen AKW mindestens zwanzig Jahre benötigen würde? Stimmt es etwa nicht, dass das Leuchtturmprojekt für kleine AKW (SMR) eingestellt wurde, weil die potentiellen Betreiber selbst kommuniziert haben, dass der Atomstrom aus dem SMR deutlich teurer werden würde als Strom aus Erneuerbaren Energien? Stimmt es etwa nicht, dass das in Europa eingesetzte Uran überwiegend aus Russland kommt?

Die CO2-Emissionen Deutschlands sind nicht fünfmal so hoch wie in Frankreich, wie behauptet. Richtig ist: Frankreich 298 Millionen t CO2 und Deutschland 746 Millionen t CO2 oder wenn man den faireren Vergleich mit den pro-Kopf-Emissionen nimmt: Frankreich 4,60 t/Einwohner; Deutschland 7.98 t/Einwohner - Quelle: statista für das Jahr 2022).

Rainer Grießhammer