E-Book statt Bibliothek

Unschön, aber wahr: Der Gebäude-Sektor ist ein Umweltkiller. Verantwortlich für rund ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen, für den Verbrauch von 50% der nationalen Rohstoffe wie etwa Kies und Gips, sowie durch Neubau für die Zersiedlung und einen großen Flächenverbrauch von jährlich rund 200 Millionen Quadratmetern.

Ein wesentlicher Grund für den Neubau ist die Zunahme der genutzten Wohnfläche pro Person auf mittlerweile 47,7 Quadratmeter. Verursacht wird dies durch hohe Ansprüche, wie zum Beispiel das Extra-Bibliothekszimmer in der Single-Wohnung. Kleiner Tipp: ein E-Book-Readerbraucht im Regal nur zwei Zentimeter und es passen Tausend Bücher drauf. Die zweite Ursache ist die massive Diskrepanz zwischen der sprichwörtlich in Stein gemeißelten Gebäudestruktur und der demografischen Verschiebung zu mittlerweile 75 Prozent Ein- und Zwei-Personen-Haushalte. Im Gebäudebestand haben Wohnungen mit einem, zwei oder drei Zimmern aber nur einen Anteil von 54%, so dass die Ein- und Zwei-Personen-Haushalte auch größere Wohnungen nutzen müssen.

Erschwerend kommt hinzu, dass ein Großteil der Einfamilienhäuser nur von ein oder zwei Personen bewohnt wird. Wenn das Häusle endlich gebaut ist, ziehen die Kinder bald aus und lassen die Eltern in ihren fünf oder sechs Zimmern allein. Ein Wohnungstausch oder eine bauliche Zweiteilung der Einfamilienhäuser wäre zwar vielfach möglich, aber da gibt es gleich mehrere Hemmnisse. Die meist älteren Eigentümer scheuen einen Umbau oder die spätere Vermietung oder sie bekommen aufgrund ihres Alters keinen Kredit. Andererseits finden sie keine kleinere Wohnung im vertrauten Umfeld oder die kleineren Wohnungen sind oft teuer, weil zu knapp…

Helfen würden finanzielle Zuschüsse und logistische Unterstützung wie etwa kostenlose Erstberatung durch einen Architekten oder gezieltes Umzugsmanagement.

Vor diesem Hintergrund wird die seit langem verfolgte gesellschaftliche Strategie, jährlich 400.000 Wohnungen bauen zu wollen, immer unsinniger. Sie muss geändert werden, inklusive der Förderpolitik und der kommunalen Planung. Richtig wäre das Ziel, jährlich den Umbau und die Aufteilung von mindestens 100.000 Einfamilienhäusern zu bewirken sowie zusätzlich den Dachausbau und die Aufstockung von Mehrfamilienhäusern und Nichtwohngebäuden zu unterstützen. Darauf müssen sich alle einstellen - Hausbesitzer, Architekten, Bauunternehmen und Handwerker.

Diese Kolumne erschien am 05.03.2023 in der Frankfurter Rundschau

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