Mach‘ mir den Klimaschutz

Müssen wir das Verhalten oder die Verhältnisse ändern? Natürlich beides. In absehbarer Zeit können bei gleichbleibendem Konsum nur etwa die Hälfte der CO2-Emissionen durch anspruchsvolle Gesetze und effizientere Technik reduziert werden, für die andere Hälfte braucht es Verhaltensänderungen. Im Durchschnitt entscheiden sich Bürger:innen für viel zu große Wohnungen (48 Quadratmeter pro Kopf), pro Haushalt für 1,2 Autos und für 2,5 Ferienflüge pro Jahr. Die Erwartung an die Politik ist: Mach mir den Klimaschutz, aber nicht mit mir.

Die Förderung der erneuerbaren Energien tangierte den privaten Konsum kaum. Der Strom kommt ja nach wie vor aus der Steckdose. Klimaschutz im Verkehrs- und Gebäudebereich erfordert dagegen die Änderungsbereitschaft von vielen Millionen Pkw-Fahrer:innen und Wohnungseigentümer:innen.

Aber darf der Staat auf den Konsum der Bürger:innen einwirken? Selbstverständlich – nur geht das seit Jahrzehnten in die falsche Richtung. Mit der Befreiung von Kerosin- und Mehrwertsteuer fördert der Staat billige Inlands- und Fernflüge, mit dem Dienstwagenprivileg und der Pendlerpauschale den Kauf übergroßer Spritfresser. Die Nutzung umweltfreundlicherer Alternativen wurde dagegen massiv vernachlässigt: die Bahn kaputtgespart, der ÖPNV sich selbst überlassen, die Radwege nur minimal ausgebaut.

Viele positive Veränderungen wurden dagegen von Bürger:innen, kommunalen Initiativen und Umweltorganisationen erstritten und finanziert. Mit den ersten Modellprojekten (Sonnenkollektoren, kleinen Windkraftanlagen, Passivhäusern, Carsharing), mit hoher Marktnachfrage (z. B. E-Bikes oder energieeffiziente Elektrogeräte), mit kommunalen Bürgerentscheiden (z. B. für eine bessere Radinfrastruktur), mit Geldanlagen (z. B. für eigene PV-Anlagen, Bürgerbeteiligung für PV-Anlagen auf Schuldächern) und mit erfolgreichen Klagen vor Gericht.

Aber all das reicht bei weitem nicht aus. Für den Klimaschutz braucht es steigende CO2-Steuern und schärfere Gesetze. Die entstehen aber nicht von alleine und auch nicht allein durch Wahlen. Sie brauchen das zusätzliche Engagement von Bürger:innen auf vielen Ebenen. Nur wenn viele radeln wollen und dies auch einfordern, gibt es mehr und gute Radwege – auf denen dann noch mehr radeln. Und so weiter.

Erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 21.07.2023

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