Zündeln und zweifeln

Das Klima erhitzt sich weiter. Folgt man den düsteren Prognosen des IPCC, droht ein Weltenbrand. Das wissen alle. Die Bürger, die Politiker, die Unternehmen, das Bundesverfassungsgericht. Seit einigen Monaten geht aber ein Riss durch die Gesellschaft. Die Ampel steht gleichzeitig auf Dunkelrot und Hellgrün, und bricht ganz offen das geltende Klimaschutzgesetz. Die Gesellschaft steht zwischen verzweifelten Klebern und an der fossilen Vergangenheit klebenden Zweiflern.

An der erhitzten Situation hat zuerst einmal die alte CDU-CSU/SPD-Regierung Schuld. Parallel zur unentwegten Aufstellung nicht eingehaltener Klimaschutzziele hat sie den Ausbau der Erneuerbaren Energien gezielt gebremst, den Ausbau der Elektroladestationen verschleppt, den schon lange prognostizierten Handwerkermangel ignoriert und sich auf russisches Gas verlassen, statt Wärmenetze, Geothermie und Wärmepumpen zu fördern.

Aber nun gießen FDP und CDU-CSU erst recht Öl ins Feuer. Mit Technologie-Vorschlägen, die für den Klimaschutz entweder nicht kommen (Fusionsreaktoren) oder viel zu spät kämen („kleine“ modulare AKW) oder die für Verbraucher und Gesellschaft zu extrem hohen Kosten führen würden (E-Fuels für Pkw und Wasserstoff zur Gebäudeheizung). Damit nicht genug. Jetzt werden noch Brandsätze gelegt - am Verbot neuer Gasheizungen ab 2024 und mit massiven Zweifeln an Wärmepumpen, am EU-Beschluss zum Verbot der Verbrenner-Autos ab 2035 und am bereits erfolgten AKW-Ausstieg. Mit größtmöglicher Polemik wird vor drohenden großflächigen „Stromausfällen“, „Heizungsverbot“ und „Fahrverboten“ gewarnt! Die sprunghafte bayrische Landesregierung will sogar ein eigenes Lederhosen-AKW betreiben, mit Uran aus Russland, aber natürlich ohne Atommüll-Endlager in Bayern.

Das politische Zündeln an den zentralen Klimaschutzmaßnahmen wird leider von Abermillionen Biedermännern stillschweigend unterstützt. Endlich gibt es Bestätigung für das eigene Nichtstun.

Hier bieten sich neue Aktionsformen für Fridays for Future an: Fragen an die Eltern, Verwandten, Nachbarn: Seid ihr eigentlich für Klimaschutz? Für Tempolimits? Werdet ihr mehr radeln? Mit dem 49-Euro-Ticket auf den ÖPNV umsteigen? Beim nächsten Autokauf ein (kleineres) Elektroauto nehmen? Wollt ihr ein kleines „echt sicheres“ AKW in eurer Siedlung? Welche Zukunft wählt ihr? Wen wählt ihr?

Diese Kolumne erschien am 29.04.2023 in der Frankfurter Rundschau

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