Verkehr verkehrt

Die Verkehrswende kommt nur langsam voran. Deutschland ist ein Autoland und die Alternativen müssen besser und bequemer werden. Denn während bei der Energiewende im Strombereich die Konsumenten ihr Alltagsverhalten nicht ändern mussten (der Strom kommt ja nach wie vor aus der Steckdose …), müssen die rund 50 Millionen Autofahrer mit attraktiven Alternativen überzeugt werden.

Wie jedes Jahr wieder wurde das Klimaziel im Verkehrsbereich einfach überfahren. Die CO2-Emissionen sind mit 150 Millionen Tonnen im Jahr unverändert hoch. Verkehrsminister Wissing weigert sich, ein Programm vorzulegen, mit dem der gesetzlich vorgegebene Zielwert von 85 Millionen Tonnen CO2 für das Jahr 2030 erreicht werden kann. Damit würden auch weitere Probleme des Autoverkehrs reduziert: die hohen Unfallzahlen, der Schadstoffausstoß, der Straßenlärm, die volkswirtschaftlichen Schäden.

Trotz der Probleme gibt es wenig Proteste und nur wenige positive Entwicklungen, wie den Boom der E-Bikes, erfolgreiche Radentscheide oder die Verkehrssubstitution durch Videokonferenzen.

Die Verkehrswende nimmt nur langsam Fahrt auf. Deutschland ist nach wie vor ein Autoland. Das sieht man nicht nur an 49 Millionen PKW und 58 Millionen PKW-Führerscheininhaber:innen. Mit dem Umbau der Städte und dem massiven Straßenausbau seit den 1960er Jahren hat sich nicht nur die materielle Infrastruktur, sondern auch die „mentale Infrastruktur“ (Harald Welzer) geändert. Viele sind in die Eigenheimsiedlung am Stadtrand oder aufs Land gezogen oder haben weit entfernte Arbeitsplätze angenommen. Selbst die Stadtbewohner:innen nehmen regelmäßig das Auto – zum Einkauf in den großen Märkten am Stadtrand oder weil sie die Kinder zum Kindergarten oder in die Schule bringen. Mit dem Argument, dass zu Fuß gehen oder Radeln für die Kinder durch den Autoverkehr zu gefährlich ist …

Die Verkehrswende wird nur mit einer Doppelstrategie vorankommen. Die massive Bevorzugung des Individual-Autos in Gesetzgebung, Besteuerung und Infrastruktur muss reduziert werden, und die Alternativen müssen besser und bequemer werden. Das bedeutet nicht nur den Ausbau von ÖPNV und Fernbahn, sondern auch eine bundesweite Mobilitäts-App, kurze Taktzeiten, Pünktlichkeit, familienfreundliches Generalabo oder Halbpreis-Karte für Fernbahn und ÖPNV wie in der Schweiz, autonome Rufbusse auf dem Land, Tempolimit 30 innerorts, Anhebung der 25-Stundenkilometer-Grenze für Pedelecs auf 30, Ausbau der Radschnellwege und Rücknahme der Benutzungspflicht für die ohnehin schon überlasteten Radwege.

Diese Kolumne erschien am 08.01.2023 in der Frankfurter Rundschau

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